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Das Dschungelbuch - Erst ich ein Stück - dann du - Klassiker für Kinder
Das Dschungelbuch - Erst ich ein Stück - dann du - Klassiker für Kinder
Kipling, Rudyard
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Categories:
Year:
2012
Publisher:
Random House
Language:
german
ISBN 10:
3641074169
ISBN 13:
9783641074166
File:
EPUB, 3.49 MB
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Inhaltsverzeichnis Mogli bei den Wölfen Balu und Baghira Die Schlange Kaa In der Affenstadt Die rote Blume In der Menschensiedlung Jagd auf Schir Khan Copyright Mogli bei den Wölfen Als sich die Nacht über den Dschungel gesenkt hatte und der Mond hell und silbern über den Sioni-Bergen stand, weckte der Wolf seine Frau und seine vier Jungen. „Es ist Zeit, auf die Jagd zu gehen“, raunte er. „Heute werdet ihr lernen, wie man …“ Weiter kam er nicht, denn in diesem Moment verdunkelte ein Schatten den Höhleneingang. Er gehörte Tabaki, dem Schakal. Die Wölfe und die anderen Tiere des Dschungels hielten keine großen Stücke auf ihn. Tabaki war zu faul, um selber auf die Jagd zu gehen. Lieber wühlte er in den Abfallhaufen hinter den Hütten der Menschensiedlung oder bettelte er bei den Wölfen um Almosen. Außerdem war er als Klatschmaul verschrien, das schlecht über andere redete und Lügen verbreitete. „Was willst du?“, fragte der Wolf. „Wir haben nichts zu fressen für dich.“ „Ich bin satt“, behauptete Tabaki. „Ich will euch bloß warnen. Schir Khan ist zurückgekehrt. Ihr solltet euch vorsehen !“ Der Blick des Wolfs verfinsterte sich. „Die Sioni-Berge sind unser Revier. Der Tiger hat hier nichts verloren. Auch er muss sich an die Gesetze des Dschungels halten. “ Tabaki lachte geckernd. „Der starke Schir Khan hat es wohl kaum nötig, euch um Erlaubnis zu fragen!“ Erschrocken starrten die Wolfsjungen ihre Mutter an. Aber die Wölfin lächelte nur. „Keine Angst“, sagte sie. „Der Tiger mag stark sein, aber er hinkt. Wir Wölfe sind viel schneller als er.“ Der Wolfsvater nickte. „Schir Khan ist derjenige, der sich vorsehen sollte“, sagte er harsch. „Denn die Menschen werden es ganz sicher nicht zulassen, dass sich ein Tiger in der Nähe ihres Dorfes herumtreibt. Sie werden den Dschungel nach ihm durchkämmen, ihn einfangen und töten.“ Die Wölfin machte ein unglückliches Gesicht. „Womöglich werden sie das Gras in Brand stecken, um ihn in die Enge zu treiben“, äußerte sie ihre schlimms; te Befürchtung. „Und dann werden wir alle von hier fortgehen müssen. Dieser lahme Tiger ist wirklich eine Plage“, fügte sie seufzend hinzu. „Interessant“, sagte der Schakal. „Ich werde dem großen Schir Khan wohl davon berichten müssen, wie ihr über ihn denkt.“ Der Wolf richtete sich drohend auf. „Scher dich aus meiner Höhle !“, knurrte er. „Ich bin schon weg“, kicherte Tabaki und huschte davon. Aus dem Tal klang das hungrige Gebrüll des Tigers zu ihnen herauf. „So ein Dummkopf“, brummte der Wolf. „Wenn er einen solchen Lärm macht, wird er keinen einzigen Bock fangen.“ „Sei still“, mahnte seine Frau. „Ich glaube, das ist kein Bock, dem Schir Khan da auf den Fersen ist“, wisperte sie. „Sondern?“, wollte der Wolf wissen. „Schsch“, machte die Wölfin nur. Sie reckte den Kopf und blickte mit spitz aufgestellten Ohren ins Tal hinunter. Ein Rascheln ertönte, Zweige und Blätter bewegten sich und plötzlich stand ein winziger Menschenjunge vor ihnen und sah sie mit leuchtenden Augen an. Die Wölfe staunten nicht schlecht. Ein Menschenjunges hatten sie noch nie gesehen. Vorsichtig ergriff der Wolf das Kind mit den Zähnen und setzte es vor seine Frau auf den Felsboden. Die Wolfskinder tappten herbei und beschnupperten den Jungen. Er lachte und vergrub seine kleinen Hände in ihrem weichen Fell. „Er gefällt mir“, sagte die Wölfin. „Er sieht aus wie ein Nacktfrosch. Darum nenne ich ihn Mogli. Ich werde ihn großziehen wie meinen eigenen Sohn. Er soll in unserem Rudel leben und mit uns auf die Jagd gehen.“ „Dass ich nicht lache!“, brüllte Schir Khan. „Der Junge gehört mir.“ Mit einem Satz sprang der Tiger aus dem Grün des Dschungels hervor. Die Wolfsjungen jaulten erschrocken auf. Ihr Vater stellte sich schützend vor das Menschenkind. Die Wölfin packte es und dann flüchteten sich alle in die Höhle. Schir Khan versuchte, ihnen zu folgen, blieb aber mit seinem riesigen Kopf im Höhleneingang stecken. „Gebt mir meine Beute zurück!“, fauchte er. „Hohl sie dir doch!“, spottete der Wolf. „Aber pass auf, dass du dir an den Felswänden nicht die Ohren abreißt.“ Der Tiger brüllte wütend. „Verschwinde!“, knurrte die Wölfin. „Oder ich schlage dir meine Zähne ins Gesicht.“ Schir Khan fauchte noch ein zweites Mal, dann zog er seinen Kopf aus dem Höhleneingang und hinkte in den Dschungel zurück. „Diese Schmach wird er nicht auf sich sitzen lassen“, brummte der Wolf. „Ich werde eine Versammlung einberufen, in der wir darüber beraten, was mit dem kleinen Frosch geschehen soll. Akela ist der Älteste unter uns. Er muss entscheiden.“ Sorgenvoll ruhte sein Blick auf Mogli, der sich zwischen den Wolfsjungen zusammengeringelt hatte und eingeschlafen war. In der darauffolgenden Vollmondnacht versammelten sich die Wölfe um den mit Felsbrocken bedeckten Steinhügel, auf dessen Kuppe Akela Platz genommen hatte. Er war stark, klug und erfahren und er kannte sich mit den Besonderheiten der Menschen und der Tiere aus. Akela war schon mehrmals vor Jägern geflohen und hatte sich aus deren Fallen befreit. Vom Hügel aus sah er auf Mogli herab, der inmitten seiner neuen Familie saß und mit kleinen Steinen spielte. „Noch nie hat ein Menschenkind in unserem Rudel gelebt“, begann er. „Wir müssen klug entscheiden.“ „Er kann nicht bleiben“, meldete sich ein struppiger brauner Wolf zu Wort. „Er gehört in die Menschensiedlung. “ „Mir ist etwas anderes zu Ohren gekommen“, rief ein anderer. „Schir Khan hat sich den Jungen geholt. Er ist die verlorene Beute des Tigers.“ „Umso schlimmer“, knurrte der Braune. „Die Menschen werden ihren Sohn rächen wollen und mit Gewehren und Feuer in den Dschungel kommen und uns alle vertreiben.“ Aufgeregtes Gemurmel und empörte Rufe zogen durch das Wolfsrudel. Akela erhob mahnend seine Pfote. „Ruhe!“, rief er. „So kommen wir nicht weiter.“ „Der weise Akela hat recht“, sagte Moglis Wolfsvater. „Wir können nicht wissen, ob die Menschen in der Siedlung gesehen haben, dass ein Tiger das Kind geraubt hat“, fuhr er fort. „Vielleicht ist Mogli versehentlich in den Dschungel geraten und …“ „Deshalb sollten wir ihn seinem Schicksal überlassen“, fiel ihm der struppige Braune ins Wort. „Wir setzen ihn in der Nähe der Siedlung aus. Vielleicht hat er Glück und kehrt unversehrt zu seiner Familie zurück.“ Die Wolfsmutter bleckte empört die Zähne. „Das dürfen wir nicht zulassen“, raunte sie ihrem Mann zu. „Wenn wir den Jungen im Dschungel aussetzen, ist er verloren. Schir Khan wartet doch nur auf eine solche Gelegenheit.“ „Beruhige dich“, erwiderte der Wolfsvater. „Ich bin sicher, Akela wird eine weise Entscheidung treffen.“ „Seht euch den Menschenjungen genau an!“, rief der Leitwolf nun vom Steinhügel herunter. „Macht euch ein Bild von ihm. Und danach stimmen wir ab, ob er in unserem Rudel leben darf.“ Neugierig stupsten die Wölfe Mogli mit ihren Nasen an und beschnupperten ihn. „Er ist eine Gefahr für uns“, sagte ein schwarzer Wolf. „Wir können ihn nicht beschützen.“ Einige seiner Kameraden nickten zustimmend, andere schwiegen betreten. Außer den Wolfseltern wollte niemand für Mogli sprechen. Die Angst vor Schir Khan und den Jägern aus der Siedlung war einfach zu groß. Plötzlich tauchte eine große Gestalt hinter dem Hügel auf und ein riesiger Schatten legte sich über den Felsen, auf dem die Wölfe saßen. „Wenn ihr nichts dagegen habt, werde ich mich um den Jungen kümmern“, sagte eine dunkle, brummige Stimme. Die Wölfe schreckten auf. „Balu!“, riefen die Wolfseltern erfreut. Balu war ein dicker, brauner Bär. Er hatte ein freundliches Gesicht und war ebenso groß und stark wie der Tiger Schir Khan. „Ich werde Mogli alles beibringen, was er wissen muss, um im Dschungel zu überleben“, bot er den Wölfen an. „Genauso wie ich es seit Jahren mit euren Jungen mache.“ Als Mogli den Bären bemerkte, ließ er von seinem Spiel mit den Steinen ab und rappelte sich auf die Füße. Fröhlich lachend lief er auf Balu zu und vergrub sein Gesicht im kuscheligen Bauchfell des Bären. „Es wird mir sogar ein ganz besonderes Vergnügen sein“, fügte Balu verzückt hinzu. „Das nenne ich eine großartige Idee“, ertönte da eine Stimme über ihnen. Erschrocken hoben die Wölfe ihre Köpfe. Balu und Baghira Auf dem Ast eines Urwaldbaums lag ein Panther, dessen Fell so schwarz wie Tinte war. Er hatte die Vorderpranken übereinandergelegt und blickte aus blitzend grünen Augen auf die Wolfsversammlung hinab. „Besser könnte ein Menschenjunges nicht aufgehoben sein als ausgerechnet in der Obhut dieses faulen Bären“, spottete er. „Was fällt dir ein, Baghira!“, schimpfte Balu. „Ich liebe dieses entzückende Menschenkind wie meinen eigenen Sohn. Keine Sekunde werde ich ihn aus den Augen lassen.“ „Ja, ja“, sagte Baghira und gähnte gelangweilt. „Besonders wenn du schläfst. Und damit verbringst du schließlich den überwiegenden Teil deiner Zeit.“ „Und wie sieht es bei dir aus?“, rief Balu zornig. „Schläfst du etwa nie?“ „Natürlich tue ich das“, gab der Panther zurück. „Allerdings habe ich auch nicht behauptet, Mogli vor den Gefahren des Dschungels beschützen zu können.“ Balu kniff die Augen zusammen. Dann setzte er sich in Bewegung, lief auf den Baum zu und begann, sich an dessen Stamm zu kratzen und zu reiben. Blätter, Zweige und Äste wippten heftig auf und ab, bis es Baghira schließlich zu bunt war und er mit einem Satz auf den Felsen hinuntersprang. „Wir können uns die Aufgabe ja teilen“, schlug Balu vor und blinzelte den Panther schelmisch an. „Was hältst du davon?“ Baghira warf einen Blick auf Mogli und nickte. „Das halte ich für eine gute Lösung“, sagte Akela. „Menschen sind sehr klug. Vielleicht wird Mogli uns später einmal nützlich sein.“ Die Wölfe schwiegen. Die meisten von ihnen waren nicht Akelas Meinung, wagten aber nicht, ihm zu widersprechen. Und so wuchs Mogli in der Wolfsfamilie heran. Vater Wolf weihte ihn in die Geheimnisse des Dschungels ein und erklärte ihm, dass er nicht zum Vergnügen jagen durfte, sondern nur, wenn er wirklich Hunger hatte. Die Wolfsmutter zog ihn ebenso liebevoll auf wie ihre eigenen Jungen, die Mogli schon bald als ihren Bruder betrachteten. Am liebsten spielte Mogli mit dem kleinen Grauen. Sie tollten über den Felsen, versteckten sich im Dschungel und rauften zum Spaß miteinander. Balu und Baghira sahen jeden Tag nach Mogli und warteten geduldig ab, bis er groß genug war, um ihm all die Dinge zu zeigen, die er von den Wölfen nicht lernen konnte. Baghira trug Mogli stundenlang auf seinem Rücken durch den Dschungel und brachte ihm das Klettern bei. Der Panther sprang auf einen Baum, streckte sich auf einem Ast aus und forderte den Menschenjungen auf, ihm zu folgen. Anfangs war Mogli noch vorsichtig, umklammerte ängstlich jeden Zweig und bewegte sich so langsam wie ein Faultier. Doch schon bald wurde er mutiger und schwang sich durch die Baumkronen, als ob er ein Affe wäre. „Jetzt bin ich dran“, sagte Balu. „Bäume sind schließlich nicht nur zum Klettern da.“ Der Bär zeigte Mogli, wie er sich an der schorfigen Rinde den juckenden Pelz schubbern konnte. Außer Honig schlecken, auf dem Rücken durch den Fluss treiben und den Tag einen guten Mann sein lassen, war das nämlich Balus Lieblingsbeschäftigung. Doch er brachte Mogli auch viele nützliche Dinge bei. So erklärte er ihm, dass er die Bienen erst höflich um Erlaubnis bitten musste, bevor er ein wenig von ihrem Honig stibitzte, dass es höchst unklug war, einen Dschungelbewohner aus seiner Ruhe aufzuschrecken, und dass die giftigen Wasserschlangen es überhaupt nicht leiden konnten, wenn man unerlaubt in ihren Teich hineinhüpfte. Außerdem zeigte der Bär ihm, wie man Nüsse knackte und dass Früchte ebenso gut schmeckten wie Fleisch. Balu war sehr zufrieden mit Mogli. „Heute lernst du das Wichtigste“, sagte er eines Tages. Mogli sah den Bären erwartungsvoll an. „Heute lernst du die Sprache der Tiere“, sagte Balu. „Aber die kann ich doch schon längst“, erwiderte Mogli. Er hatte keine Lust mehr, ständig neue Dinge zu lernen. Lieber ritt er auf Baghiras Rücken oder kletterte mit dem Panther in den Bäumen herum. „Nein“, sagte Balu streng. „Bisher kannst du nur Wölfisch, Bärisch und … na ja, die Panthersprache. Viel wichtiger ist es aber, dass du dich mit Raubvögeln und Schlangen verständigen kannst“, fuhr er nun wieder ein wenig sanfter fort. „Damit sie dich nicht als Feind ansehen, musst du ein paar wichtige Worte lernen.“ „Aha“, grummelte Mogli. „Welche Worte sind das?“ Gelangweilt riss er einige Schilfstängel ab und flocht sie zu einer Kugel. Balu nahm sie ihm aus der Hand und warf sie hoch in die Luft, wo sie von einem Affen aufgefangen wurde, der sich gerade von einem Baum zum nächsten schwang. „Und jetzt hör gut zu“, mahnte der Bär. „Die Worte lauten: Du und ich, wir sind vom gleichen Blut. Hast du das verstanden?“ Mogli nickte. „Dann wiederhole es“, sagte Balu. Mogli seufzte, aber er tat, was der Bär von ihm verlangte, und übte diese wichtigen Worte in allen Tiersprachen. „Jetzt habe ich aber genug gelernt“, beschwerte er sich bei Baghira, als dieser ihn am späten Nachmittag auf seinem Rücken zur Wolfshöhle zurücktrug. „Ich bin groß und stark und kann alleine durch den Dschungel gehen.“ Der Panther schüttelte energisch den Kopf. „Das kommt überhaupt nicht infrage, denn das ist viel zu gefährlich für dich“, sagte er entschieden. „Schir Khan treibt sich noch immer in der Gegend herum. Obwohl er eine lahme Hinterpfote hat, wirst du nie so schnell und erst recht nicht so stark sein wie er. Er wird sich von Balus Zauberworten nicht täuschen lassen, sondern nicht eher Ruhe geben, bis er dich erwischt hat.“ „Ach, du machst dir viel zu viele Gedanken“, erwiderte Mogli, während er den Panther hinter den Ohren kraulte. „Offenbar hast du bereits vergessen, dass du selbst es warst, der mir das Klettern beigebracht hat. In den Bäumen bin ich sicher. Oder hast du schon mal einen Tiger gesehen, der sich wie ein Affe von Ast zu Ast schwingt?“, setzte er grinsend hinzu. Der Panther verdrehte die Augen. „Vor den Affen musst du dich ebenfalls in Acht nehmen“, sagte er. „Sie sind genauso listig und verlogen wie ein Schakal.“ Doch Mogli lachte nur. Er mochte alle Tiere des Dschungels. Auch mit den Affen hatte er schon gespielt. Denn es kam nicht selten vor, dass sowohl Baghira als auch Balu und seine Wolfsfamilie in tiefem Schlummer lagen. Und bisher hatte Mogli noch jede Gelegenheit genutzt, den Dschungel auf seine Weise zu erkunden. Noch nie war ihm dabei etwas zugestoßen, ja er mochte nicht einmal so recht daran glauben, dass der Tiger Schir Khan tatsächlich immer noch darauf aus war, ihn zu überfallen. Als Baghira beim Wolfsfelsen ankam, rutschte Mogli sogleich von seinem Rücken herunter und lief seinem grauen Bruder entgegen, der schwanzwedelnd auf ihn zugesprungen kam. Die beiden rangen eine Weile miteinander, bis Mogli erschöpft auf den sonnengewärmten Felsen sank und sich von Grauwolf die Ohren abschlecken ließ. Nachdem Mogli sich erholt hatte, liefen sie zum Fluss hinunter. Mogli rupfte einen ganzen Armvoll Schilfstängel aus, brachte das Bündel zum Wolfsfelsen und flocht Dinge daraus. Zuerst formte er eine neue Kugel. Danach flocht er eine Schale und schließlich begann er damit, aus dünnen Zweigen und Rohr eine richtige Hütte zu bauen. Seine Wolfseltern und seine Brüder betrachteten wohlwollend sein Werk, aber die anderen Wölfe wurden von Tag zu Tag misstrauischer. Moglis Fertigkeiten waren ihnen nicht geheuer. Zudem fanden sie seinen Blick seltsam und konnten ihm kaum richtig in die Augen sehen. Einige von ihnen trafen sich heimlich mit Schir Khan und ließen sich mehr und mehr gegen den Menschenjungen aufhetzen. „Mogli gehört nicht zu euch“, redete der Tiger ihnen ein. „Er wird euch immer fremd bleiben. Und eines Tages wird er euch den Menschenjägern ausliefern.“ Moglis Familie merkte von alldem nichts. Nur Akela, der Leitwolf, wusste, was in seinem Rudel vor sich ging. Die Schlange Kaa Eines Tages, als Mogli wieder einmal zum Fluss hinuntergegangen war und Schilfrohr für seine Hütte pflückte, näherte sich hoch über ihm in den Bäumen eine Affenhorde. Mogli kümmerte sich nicht um das Geraschel in den Blättern und Zweigen, und auch Baghira und Balu bekamen nichts davon mit. Der Bär war gerade in eine freundliche Unterredung mit einem Bienenschwarm verstrickt und der Panther döste auf einem dicken Ast in der Nähe des Wolfsfelsens. Plötzlich krabbelte ein kleiner grauer Affe lautlos auf den Boden hinunter. Er schlich auf Mogli zu, packte ihn an der Hand und zog ihn mit sich fort auf den nächsten Baum hinauf. Dort ergriff ihn ein anderer Affe am Fuß und warf ihn einem seiner Kameraden zu. Dieser fing Mogli an der Hose auf. Anfangs war der Junge zornig, weil die Affen ihn bei seiner Arbeit gestört hatten, aber dann hatte er so viel Spaß daran, von ihnen durch die Luft gewirbelt zu werden, dass er alles andere vergaß. Die Affen schleppten ihn tiefer und tiefer in den Dschungel hinein, bis sie in eine Gegend kamen, in der Mogli noch nie gewesen war. „He!“, rief er. „Jetzt ist es genug. Bringt mich wieder zurück.“ Aber die Affen hörten nicht auf ihn, sondern lachten und geckerten und warfen Mogli weiter von einem zum anderen. Die Sonne stand schon recht tief, bald würde der Abend hereinbrechen. Mogli wurde allmählich unbehaglich zumute. „Wo bringt ihr mich hin?“, fragte er. „In die Affenstadt! In die Affenstadt!“, grölten die Affen. „Und was soll ich dort?“, rief Mogli. „Unser König sein! Unser König sein!“ Und wenn ich das gar nicht will?, dachte Mogli verzweifelt. Da tauchte hoch oben am Himmel ein Adler auf und Mogli erinnerte sich wieder an die Worte, die Balu ihm so sehr ans Herz gelegt hatte. „Du und ich, wir sind von gleichem Blut“, rief er dem Raubvogel in der Adlersprache zu. Der Vogel streckte seine Flügel aus und ließ sich langsam zu den Baumkronen hinuntersinken. „Mein Name ist Tschil“, kreischte er. „Was kann ich für dich tun?“ „Ich bin Mogli, das Wolfskind“, antwortete der Junge. „Diese frechen Kreaturen hier haben mich entführt. Sie wollen mich in die Affenstadt verschleppen. Könntest du bitte Balu, den Bären, und den Panther Baghira um Hilfe rufen?“ „Das will ich gerne tun“, rief Tschil. Er schlug mit den Flügeln, stieß wieder hoch in den Himmel hinauf und verschwand zwischen den Wolken. „Ich danke dir“, murmelte Mogli. Mit einem Mal war er sehr froh, dass Balu ihm diese Zauberworte beigebracht hatte. Hoffentlich würde Tschil seine Freunde bald finden! Tatsächlich hatten Balu und Baghira inzwischen gemerkt, dass Mogli verschwunden war. „Du hast nicht gut auf ihn geachtet“, warf der Panther dem Bären vor. „Und du hast faul auf deinem Ast gelegen und geschlafen“, erwiderte Balu zornig. „Hört auf zu streiten“, rief da eine Stimme zu ihnen herunter. „Das bringt euch den Jungen auch nicht zurück.“ Baghira hob den Kopf und erblickte den Adler, der über den Bäumen kreiste. „Tschil hat recht“, brummte er. „Wir sollten ihn lieber suchen.“ „Da bin ich ganz deiner Meinung“, sagte Balu. Der Bär sah sich um und kratzte sich hilflos den Bauch. „Bloß wo? Dort, wo Mogli sonst immer war, ist er nämlich nicht.“ „Scharf beobachtet“, knurrte der Panther. „Der Junge ist mutig und unerschrocken. Womöglich ist er tief in den Dschungel hineingelaufen.“ „Oh nein!“, rief Balu erschrocken. „Hoffentlich ist ihm nichts zugestoßen!“ „Vielleicht ist er aber auch in die Menschensiedlung gegangen und hat seine richtigen Eltern wiedergefunden“, überlegte der Panther weiter. „Ich an eurer Stelle würde ja lieber in der Affenstadt nachsehen“, rief Tschil ihnen zu. „Niemals!“, stieß Balu entsetzt hervor. „Dann ist Mogli wohl verloren“, sagte der Adler traurig. „Die Affen haben ihn nämlich verschleppt. Und euer kleiner Frosch hat mich gebeten, euch um Hilfe zu rufen.“ „Ja, warum sagst du das denn nicht gleich?“, fauchte der Panther und wollte schon losstürzen. Doch Balu hielt ihn zurück. „Das schaffen wir nicht allein“, keuchte er. „Na hör mal!“, sagte Baghira empört. „Mit diesen kleinen verlausten Flegeln werden ein Bär und ein Panther ja wohl fertigwerden.“ „Denk bitte nicht, dass ich feige bin“, erwiderte Balu. „Aber die Affen haben keinen Respekt vor uns. Wir brauchen einen Verbündeten … jemanden, vor dem sie Angst haben.“ Der Panther schüttelte den Kopf. „Da fällt mir leider nur einer ein“, brummte er missmutig. „Die Schlange Kaa.“ Balu nickte eifrig. „Los, komm!“, rief der Bär. „Wir wollen sofort zu ihm gehen und ihn fragen.“ „Ich glaube nicht, dass Kaa uns helfen wird“, erwiderte Baghira. „Die Schlange denkt doch bloß an ihren eigenen Vorteil. Am Ende stimmt er nur deshalb zu, weil er auf eine feine Froschmahlzeit hofft. Nein, nein“, fuhr er abermals kopfschüttelnd fort, „wir würden Mogli dadurch in Gefahr bringen.“ „In Gefahr ist er bereits“, knurrte der Bär. „Wenn wir uns nicht beeilen, ist es um den kleinen Frosch geschehen. Und solange dir nichts Besseres einfällt …“ „Also gut“, fiel der Panther ihm ins Wort. „Lass es uns versuchen.“ Balu und Baghira liefen sofort los. Sie fanden die Schlange auf einem kleinen Felshügel. Kaa hatte sich zusammengerollt und döste in der Sonne. Er war eine riesige Pythonschlange, der seine Opfer mit seinem kräftigen Körper umschlang und langsam erwürgte. Als Balu und Baghira sich näherten, hob er sofort den Kopf. „Ssss“, zischte er. „Wer issst denn da?“ „Wir sind’s, Balu und Baghira“, antwortete der Panther. „Wir machen Jagd auf die hinterlistigen Affen. Sie haben unseren kleinen Freund Mogli entführt.“ „Ssso, ssso“, zischelte Kaa. „Diessse Affen sssind ein ungehobeltesss Völkchen. Erssst heute Morgen haben sssie mich mit Nüsssen beworfen und mich einen fußßßlosen Regenwurm genannt.“ „Dann bist du bestimmt sehr wütend auf sie und stehst uns gerne zur Seite, oder?“, fragte Balu. „In der Tat“, zischte Kaa und glitt von seinem Hügel herunter. „Ich bin sogar sssehr wütend.“ In der Affenstadt Die Affenstadt war ein grässlicher Ort, den die meisten Tiere mieden. Vor sehr langer Zeit hatten hier einmal Menschen gewohnt, doch inzwischen lagen die Häuser verlassen da. Die Mauern waren ziemlich bröckelig und von Schlingpflanzen überwuchert. Ein großer Teil der Gebäude war bereits zerfallen und die Dächer waren eingestürzt. Nur ein einziger windschiefer Turm mit wenigen dunklen Fensterhöhlen stand noch nahezu unversehrt da. Die Affen liebten diese alte, verlassene Stadt. Sie spielten und jagten laut kreischend umher und taten so, als ob sie Menschen wären. „Schau nur“, rief der Affe, der Mogli gerade am Wickel hatte. „Das ist deine neue Heimat. Hier wirst du unser König sein.“ Unsanft ließ er den Jungen auf den harten Steinboden des Ruinenplatzes plumpsen. Sofort rappelte Mogli sich auf. „Ich will aber nicht!“, schimpfte er. „Ich will zurück zu meinen Freunden.“ „Wir sind jetzt deine Freunde!“, kreischten die Affen. Sie tanzten um ihn herum und zupften ihn an den Haaren und seiner Wickelhose. Mogli wirbelte herum und versuchte, die Affen abzuwehren, doch es waren einfach zu viele und ihre Arme waren flink und stark. „Du musst uns alles beibringen, was die Menschen können“, riefen sie. „Zeig uns, wie man eine Hütte baut!“ Mogli verschränkte die Arme vor der Brust und sah die Affen herausfordernd an. „Zuerst muss ich etwas essen“, sagte er. „Sonst verhungere ich und kann euch gar nichts zeigen.“ Augenblicklich rasten drei Affen über ein zusammengestürztes Haus hinweg und verschwanden im Grün des Dschungels. Kurz darauf kamen sie mit Bananen zurück, schälten sie und stopften sie Mogli in den Rachen. „Halt! Stopp!“, würgte er mühsam zwischen zwei Bissen hervor. „So schnell, wie ihr mich füttert, kann ich ja gar nicht kauen.“ Doch die Affen lachten nur. Sie schoben Mogli eine weitere Banane in den Mund und setzten sich die Schalen als Hüte auf den Kopf. „Und jetzt baust du uns eine Hütte, König!“, kreischten sie, rissen ein paar Schlingpflanzen ab und warfen sie Mogli vor die Füße. Zögernd fing der Junge an zu flechten und dachte derweil darüber nach, wie er die Affen überlisten und sich davonstehlen könnte. Da ertönte plötzlich ein feines Zischeln und gleich darauf Baghiras drohende Stimme: „Gebt Mogli auf der Stelle frei, sonst …“ „Sonst?“, kreischten die Affen. Sie hüpften auf und ab, rissen Früchte von den Bäumen und schleuderten sie dem Panther entgegen. „Was willst du uns schon anhaben, du süße kleine Miezekatze?“ Wut kochte in Mogli hoch. „Ihr wagt es, meinen Freund zu beleidigen?“, brüllte er. „Ich als euer König befehle euch, Baghira in Ruhe zu lassen.“ Er versuchte, einen der Affen zu packen, doch der riss sich sofort wieder los und sprang geckernd auf eins der zusammengefallenen Häuser. „Fang mich doch, fang mich doch!“, geiferte er. Mogli ballte die Fäuste. „Lass es lieber“, raunte Balu. Der Bär hatte sich hinter einer Mauer versteckt. „Komm her zu mir“, raunte er und winkte Mogli heran. In den Augen des Jungen blitzte es freudig überrascht auf. Aber dann verfinsterte sich sein Blick sofort wieder. Mogli presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. „Wir müssen Baghira helfen“, sagte er entschieden. Da wurde er plötzlich von zwei Affen ergriffen. Sie schleppten ihn über die eingestürzten Mauern weg auf einen Baum hinauf und warfen ihn von dort aus in den Turm. „Das ist dein Palast, König!“, schrien sie, klatschten in die Hände und kreischten vor Vergnügen. Mogli fiel tief und kam hart auf dem Boden auf. Sein Rücken schmerzte und die Knie taten im weh. Doch er biss tapfer die Zähne zusammen, richtete sich auf und spähte durch einen schmalen Mauerschlitz auf den Ruinenplatz hinunter. Balu war Baghira inzwischen zu Hilfe gekommen, aber leider nutzte dem Panther das wenig. Die Affen hatten sich auf seinen Rücken geschwungen, hielten ihm die Augen zu, rissen ihn an den Ohren und pulten ihm in den Nasenlöchern herum. Baghira wehrte sich, so gut er konnte, doch kaum hatte er drei Affen abgeschüttelt, kletterten bereits fünf andere auf ihn drauf. Dem Bären erging es auch nicht besser. Einer der Affen hatte seinen Schwanz um Balus Schnauze gewickelt, zwei hockten auf seinen Schultern und zupften an seinem Fell und sieben weitere drehten ihn im Kreis herum, bis ihm schwindelig wurde und er zu torkeln begann. O weh, o weh!, dachte Mogli. Was soll ich bloß tun? Aus dem Turm würde er sich aus eigener Kraft nie und nimmer befreien können, und seine besten Freunde schienen den Affen hilflos ausgeliefert zu sein. Mit einem Mal ertönte wieder dieses seltsame Zischen und nun bemerkte Mogli eine riesige Pythonschlange, die unter den Schlingpflanzen hervorkroch und sich unbemerkt über den Ruinenplatz schlängelte. Der Junge hielt den Atem an. War die Schlange ihr Freund oder ihr Feind? Oder gehörte sie gar zu den Affen? „Du und ich, wir sind vom gleichen Blut“, sagte er. „Hört, hört!“, zischelte es da in den Turmwänden. „Wir sssind vom gleichen Blut!“ Plötzlich lugten überall aus den Mauerritzen die winzigen Köpfe unzähliger Giftschlangen hervor. Erschrocken machte Mogli einen Satz zurück. „Du und ich, wir sssind vom gleichen Blut“, säuselten die Schlangen. Sie wiederholten es wieder und wieder und sie zischten es lauter und immer lauter. Es klang wie ein betörender Gesang. Da fasste sich Mogli ein Herz, trat wieder ein wenig näher an die Turmwand heran und lugte erneut auf den Ruinenplatz hinunter. Balu und Baghira waren noch immer in einen wilden Kampf mit den Affen verstrickt. Die riesige Python hatte den Kopf erhoben und starrte auf den Turm. „Issst der Junge dort drin?“, zischte Kaa. „Ja, ja, ja!“, riefen die Giftschlangen. „Wir sssind vom gleichen Blut!“ „Dann ssseht mal her, ihr dummen Affen!“, brüllte die Pythonschlange. „Wie geschwind der fußßßlose Regenwurm laufen kann!“ Blitzschnell schoss sie auf den Turm zu und schlug mit ihrem kräftigen Kopf gegen die Wand. Einige der bröckeligen Steine lösten sich und fielen heraus, und nur einen Atemzug später geriet der ganze Turm ins Wanken und die Mauersteine prasselten polternd auf den Ruinenplatz herunter. Die Affen kreischten entsetzt auf. Sie ließen von Balu und Baghira ab und flohen in den Dschungel. Mogli kletterte über einen Steinhaufen ins Freie und sprang direkt in Balus Arme. Der Bär setzte ihn auf Baghiras Rücken und dann rannten sie ebenfalls in den Dschungel zurück. „Halt!“, rief Mogli. „Nicht so schnell! Ich möchte mich noch bei der Schlange bedanken!“ „Das ist keine gute Idee“, erwiderte der Panther. „Kaa wird dich verspeisen wollen.“ „Nein, das wird er nicht“, widersprach Mogli. „Kaa ist mein Freund und ich möchte ihn mir nicht zum Feind machen, indem ich mich unhöflich verhalte. Balu hat mir beigebracht, dass ich zu allen Tieren freundlich sein soll.“ Baghira seufzte. Er drosselte seine Geschwindigkeit und drehte sich um. Kaa war ihnen bereits gefolgt. „Der Junge issst ein feiner Leckerbisssssen“, zischelte die Schlange. „Der Junge ist dein Freund“, beeilte Balu sich zu betonen. „Wir sind alle vom gleichen Blut.“ „Nun ja …“, wollte Kaa einwenden, aber Mogli ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Ich danke dir vielmals für deine Hilfe“, sagte er und blickte der Schlange fest ins Gesicht. „Alles, was ich in Zukunft erlege, werde ich brüderlich mit dir teilen.“ „Oh, ich sssehe schon, du hassst ein gutesss Herzzz“, säuselte Kaa und es klang ein wenig so, als ob er es bedauerte. „Aber lasss nur, ich bin es gewohnt, meine Beute ssselbst zu fangen. Ssso schmeckt sssie mir einfach am besssten.“ Damit verabschiedete der Python sich und kroch eilig zu seinem Sonnenhügel zurück. Balu und Baghira leckten ihre Wunden, die sie vom Kampf mit den Affen davongetragen hatten. Dann brachten sie Mogli zur Wolfshöhle zurück. Seine Familie war überglücklich, dass ihm nichts geschehen war. Die rote Blume Über die Jahre wuchs Mogli zu einem starken Jungen heran, der die Gesetze des Dschungels und die Losungsworte aller Tiere kannte. Er fürchtete sich vor nichts und niemandem. Auch nicht vor Schir Khan, der sich noch immer in der Gegend herumtrieb und die Wölfe gegen Mogli aufzuhetzen versuchte. „Bei vielen ist es ihm schon gelungen“, sagte Baghira eines Tages. „Deine Familie liebt dich und steht zu dir, aber die anderen Wölfe wenden sich mehr und mehr von dir ab. Sie trauen dir nicht.“ Mogli senkte traurig den Kopf. „Aber ich würde ihnen doch niemals etwas antun“, sagte er leise. „Wir wissen das“, versuchte Balu ihn zu trösten. „Denn wir sind jeden Tag mit dir zusammen. Genau wie deine Familie. Wir kennen dich gut und wissen, dass du unser Freund bist.“ „Es ist wirklich nicht deine Schuld“, bekräftigte der Panther, „sondern die des Tigers, der auf Rache sinnt und wohl immer noch hofft, dass die Wölfe dich ihm eines Tages übergeben. Das Beste wäre es, wenn Schir Khan von hier verschwinden würde.“ Mogli nickte energisch. „Du hast recht, Baghira“, sagte er. „Der Tiger wird nicht freiwillig gehen. Und deshalb werde ich ihn vertreiben.“ Balu schüttelte den Kopf. „Wie willst du das anstellen?“, fragte er. „Ich werde in eines der Menschendörfer gehen und die rote Blume holen“, erwiderte Mogli. „Denn Schir Khan hat vor nichts mehr Angst als vor dem Feuer.“ Er machte sich sofort auf den Weg. Bis zu den Menschendörfern war es weit, und Mogli suchte sich jenes aus, das am entferntesten lag und das er noch nicht kannte. Bis zum Abend hielt er sich in einem Baum verborgen und wartete, bis es dunkel geworden war. Dann ließ er sich lautlos von seinem Ast herunter, schlich sich an das nächstgelegene Haus heran und spähte vorsichtig durchs Fenster. Die Familie, die darin lebte, saß am Feuer, aß wundersame Speisen aus kleinen Schalen und wärmte ihre Hände über der roten Blume, wie die Tiere des Dschungels das Feuer der Menschen nannten. Bald legten die Menschen sich auf ihren Lagern zur Ruhe. Mogli blieb am Fenster und wartete. Die rote Feuerblume wurde langsam kleiner. Mitten in der Nacht stand die Frau auf und fachte die Glut mit ihrem Atem und trockenem Holz wieder an. Mogli beobachtete sie gespannt dabei. Und dann endlich, im Morgengrauen, ergab sich die Gelegenheit: Der älteste Sohn schaufelte etwas von der glühenden Kohle in einen Feuertopf und stahl sich damit in den Hof. Mogli sprang hinter dem Haus hervor, entriss dem Jungen den Topf und rannte damit in den Dschungel zurück. Zum Glück machte der Junge kein Geschrei, denn offenbar war es ihm nicht erlaubt gewesen, mit der roten Blume zu spielen. Auf dem Weg zur Wolfshöhle fütterte Mogli das winzige Feuer im Topf, indem er in die schwelende Glut pustete und hin und wieder kleine Holzstücke hineinwarf. – Genau so, wie er es in der Nacht bei der Frau gesehen hatte. Mogli erreichte die Sioni-Berge genau in dem Moment, als der Vollmond über Akelas Felsen aufging und der Leitwolf eine Versammlung eröffnen wollte. Das Rudel schien ihn nicht zu wittern, also duckte der Junge sich hinter einen Farn und horchte, was die Wölfe zu besprechen hatten. „Deine Zeit ist um, Akela!“, rief der struppige braune Wolf. „Du bist von einem Hirsch an der Nase herumgeführt worden. Anstatt ihn zu reißen, hat er dich umgeworfen und ist geflohen.“ Eine Gruppe junger Wölfe nickte zustimmend. „Wir haben dich dabei beobachtet, Akela.“ „Und anstatt ihm zu helfen, den Hirschen für unser Rudel zu erlegen, verspottet ihr ihn!“, rief Vater Wolf voller Wut. „Welch eine heldenhafte Tat!“ Aber die jungen Wölfe hörten nicht auf ihn. Sie stießen Akela von seinem Felsen herunter und riefen: „Schir Khan soll unser Rudel führen!“ Da sprang der Tiger mit einem Satz aus der Deckung, die er hinter einem Felsbrocken genommen hatte, und fauchte: „Tötet Akela! Nur wenn ihr den Mut habt, das zu tun, werde ich euch als mein Gefolge annehmen. Außerdem müsst ihr mir Mogli bringen. Denn er gehört mir.“ Die jungen Wölfe jaulten zustimmend und Akela trat mutig vor sie hin, um sich dem Kampf mit ihnen zu stellen. Mogli hockte noch immer hinter seinem Farn und zitterte vor Wut und Enttäuschung. Noch einmal fachte er die Feuerblume in dem Topf an, dann hielt er einen großen Zweig hinein und wartete, bis die Flammen auf ihn übersprangen. „Fort mit dir, Schir Khan!“, brüllte er, während er den Felsen erklomm und den lodernden Zweig herumschwenkte. „Du hast hier nichts verloren! Und schon gar nicht kannst du der Anführer eines Wolfsrudels sein.“ Der Tiger knurrte und fauchte, aber er wich zurück. Mogli jagte ihm mit dem brennenden Zweig hinterher und sengte ihm das Fell an. Schir Khan jaulte und brüllte und stob hinkend davon. „Wage es ja nicht, zurückzukommen und neuen Unfrieden zu stiften!“, schrie Mogli ihm nach. „Ich werde dich immer wieder vertreiben, denn ich bin der Herr über das Feuer!“ „Das war sehr mutig von dir“, erklang Baghiras Stimme vom Ast eines hohen Baumes zu ihm herunter, und nur einen Augenblick später tauchte auch Balu auf dem Wolfsfelsen auf. „Hoffentlich kehrt Schir Khan wirklich nie wieder hierher zurück“, sagte er. Mogli schlug den brennenden Zweig aus und schmiegte sich erschöpft in das zottige Bärenfell. „Was passiert nur mit Akela?“, fragte er traurig. „Die Jungwölfe haben keinen Respekt mehr vor ihm. Sie haben ihn verraten.“ „Das Rudel wird einen neuen Leitwolf bestimmen“, erwiderte Baghira. „Einen, dem auch die Jungen gehorchen. Akelas Zeit scheint wirklich abgelaufen zu sein.“ Mogli nickte traurig. Er sah zu seinen Wolfseltern und seinen Brüdern hinüber und das Herz wurde ihm schwer. In der Menschensiedlung In der folgenden Nacht tat Mogli kein Auge zu. Seine Familie war auf die Jagd gegangen und erst in den frühen Morgenstunden heimgekehrt. Während sie alle in tiefem Schlummer lagen, kroch Mogli aus der Höhle. Er hockte sich auf den flachen Felsen, spielte mit seinen Schilfhalmen und blinzelte nachdenklich in die Morgensonne. „Ich kann nicht bei euch bleiben“, murmelte er. „Ihr habt mich großgezogen, aber ich gehöre nicht zu euch. Ihr werdet mir nie wirklich vertrauen.“ „Hmmm“, brummte Baghira, der wie immer hoch oben auf einem Ast im Baum lag. „Deine Eltern und deine Brüder lieben dich. Doch was den Rest des Rudels betrifft, hast du wohl recht.“ Mogli zuckte zusammen. „Du bist noch da?“, fragte er verwundert. „Ich bin immer in deiner Nähe“, erwiderte der Panther. „Ich übrigens auch“, ertönte Balus tiefe Bärenstimme und im nächsten Moment schob sich seine schwarze Nase über die Felskante. Seine dunklen Augen glänzten merkwürdig. „Wo willst du denn hingehen?“, fragte Balu leise. „In die Menschensiedlung“, sagte Mogli. „Ich werde den Feuertopf zurückbringen und …“ Er stockte und senkte hastig den Kopf. „Dort bleiben?“, fragte Balu mit zitternder Stimme. „Und nicht mehr zurückkehren?“ Mogli zuckte mit den Schultern. „Das ist eine gute Entscheidung“, sagte Baghira. Balu funkelte den Panther zornig an. „Mogli ist unser Freund!“, knurrte er. „Eben“, sagte Baghira. „Und deshalb müssen wir ihn gehen lassen. Wir können schließlich nicht unser ganzes Leben lang auf ihn aufpassen“, fügte er zwinkernd hinzu. „Das müsst ihr gar nicht“, gab Mogli zurück. „Das kann ich nämlich selbst.“ Er schnippte die Schilfhalme über die Felskante und sprang auf seine Füße. „Vielleicht gestattest du trotzdem, dass wir dich ein Stück begleiten“, erwiderte der Panther. „Au ja!“, rief Balu und kratzte sich das Rückenfell an einem Gesteinsbrocken. „Das wäre toll!“ Über Moglis Gesicht huschte ein Lächeln, doch einen Augenblick später schaute er schon wieder ernst drein. „Wenn ich fort bin, gibt es für Schir Khan keinen Grund mehr, hierher zurückzukehren“, sagte er. „Und die Wölfe können in Frieden leben.“ Baghira nickte. Balu zog einen Flunsch, aber dann nickte er ebenfalls. Mogli seufzte. Er ließ sich auf alle viere hinunter und krabbelte in die Wolfshöhle. Zärtlich strich er seinem Lieblingsbruder über das graue Fell. Der junge Wolf öffnete die Augen. „Ich habe beschlossen, ins Menschendorf zu gehen und dort zu leben“, flüsterte Mogli ihm zu. Sein Bruder hob erschrocken den Kopf. „Glaub mir, es ist besser so“, wisperte Mogli und drückte seine Stirn gegen die des Grauen. „Pass auf dich auf“, raunte Grauwolf. „Und vergiss uns nicht!“ Mogli presste sich die Hand auf die Brust. „Niemals“, versprach er. Dann schlüpfte er wieder hinaus und machte sich in Begleitung seiner Freunde auf den Weg zur Menschensiedlung. Schweigend liefen die drei nebeneinanderher. Baghira zog eine äußerst missmutige Miene und Balu stieß alle paar Schritte einen langen, tiefen Seufzer aus. „Jetzt ist aber Schluss“, sagte Mogli entschieden. „Denkt ihr etwa, dass mir der Abschied von euch, den Wölfen und dem Dschungel leichtfällt?“ Baghira und Balu warfen sich einen betretenen Blick zu und schüttelten den Kopf. „Dann macht es mir bitte nicht so schwer“, sagte Mogli. Der Panther und der Bär nickten. Für den Rest des Weges gaben sich beide sehr viel Mühe, möglichst fröhlich auszusehen. Schon bald kam die Menschensiedlung in Sicht. Mogli umarmte zuerst Baghira und dann Balu. Er umklammerte den Henkel des Feuertopfs. „Macht’s gut“, murmelte er. „Vielleicht sehen wir uns ja irgendwann wieder. “ Rasch drehte er sich um und huschte zwischen den Bäumen hindurch auf den Dorfplatz. Dort waren viele Menschen versammelt. Sie starrten Mogli an und zeigten mit dem Finger auf ihn. Mogli erkannte den Jungen, dem er den Feuertopf entwendet hatte, und trat beherzt auf ihn zu. Der Junge zog eine finstere Grimasse, knurrte etwas, das Mogli nicht verstand, ergriff den Topf und verschwand in einer Lehmhütte. Die Menschen riefen aufgeregte Wörter. Sie klangen wütend und ängstlich. Schließlich lösten sich einige Frauen aus der Gruppe. Sie sahen Mogli in die Augen, betasteten seine Haut und seine Haare und redeten schließlich besänftigend auf die anderen Dorfbewohner ein. Die Aufregung legte sich allmählich und plötzlich richteten alle ihren Blick auf einen älteren Mann, der sich Mogli nun langsam näherte. Der Mann ging leicht gebeugt und hatte ein faltiges Gesicht, aber wache, freundliche Augen. Er schlich einige Male um Mogli herum und musterte ihn von allen Seiten. Plötzlich lächelte er. Er hatte mehr Lücken im Mund als Zähne. Der Mann sagte etwas, das sich freundlich anhörte, dann ergriff er Mogli am Handgelenk und zog ihn sanft mit sich fort. Er brachte den Jungen zu einer kleinen Hütte am Rande des Dorfes. Dort richtete er Mogli ein Lager her und reichte ihm etwas getrocknetes Fleisch und ein paar Früchte. Mogli aß alles auf und streckte sich anschließend auf seinem Lager aus. Dies war nun also sein neues Zuhause. Noch wusste Mogli nicht so recht, was er davon halten sollte, aber schon bald gewöhnte er sich an das Leben im Dorf. Er lernte die Sprache der Menschen, wie man Feuer machte und noch vieles mehr. Der Mann, der Mogli bei sich aufgenommen hatte, war ein Bauer. Er besaß eine Büffelherde, die Mogli jeden Morgen vom Dorf auf die Weide trieb und abends wieder zurück. Diese Arbeit gefiel ihm. Der Junge mochte die Büffel und Rama, das Leittier, gehorchte ihm aufs Wort. Außerdem konnte Mogli den ganzen Tag an der frischen Luft sein und unter freiem Himmel vom Dschungel und seinen alten Freunden träumen. Baghira, Balu und seine Wolfsfamilie fehlten ihm sehr. Als Mogli eines Abends kurz vor Sonnenuntergang auf der weichen Weide lag und der Büffelherde beim Grasen zusah, stupste ihn plötzlich eine kalte, feuchte Nase an. Mogli schreckte hoch. Mit einem Satz war er auf den Füßen. Vor ihm stand Grauwolf. Jagd auf Schir Khan Mogli war außer sich vor Freude, seinen Lieblingsbruder zu sehen. „Wie schön, dass du mich besuchen kommst“, rief er und kraulte ihn zärtlich hinter den Ohren. „Aber wir müssen aufpassen, dass die Büffel dich nicht bemerken, sonst geraten sie in Panik und laufen mir in alle Himmelsrichtungen davon.“ „Keine Sorge“, erwiderte der Graue. „Ich habe darauf geachtet, dass der Wind meinen Geruch nicht zu ihnen hinüberträgt. Allerdings droht dir und deinen Tieren noch eine viel größere Gefahr.“ „Was meinst du damit?“, fragte Mogli erschrocken. „Schir Khan lauert schon seit Tagen in der großen Schlucht hinter der Weide“, berichtete Grauwolf atemlos. „Er wartet auf eine günstige Gelegenheit, um über dich herzufallen.“ Mogli presste die Lippen zusammen. „Er hat mich also auch nicht vergessen.“ „Nein“, brummte sein Wolfsbruder. „In der Hinsicht verhält sich dieser lahme Tiger wie ein Elefant. Die vergessen nämlich auch nichts.“ Mogli sah den Grauen mit großen Augen an. Elefanten waren die einzigen Tiere, vor denen ein Tiger sich fürchtete. Eine ganze Horde von ihnen hätte ihnen jetzt sehr nützlich sein können. Moglis Blick glitt über die Büffel hinweg. Die Tiere lagen satt auf der Weide und käuten wieder. Plötzlich hatte Mogli eine Idee! „Grauwolf!“, rief er. „Ich weiß jetzt, wie wir Schir Khan besiegen können. Willst du mir helfen?“ „Aber natürlich“, sagte sein Wolfsbruder. „Ich habe sogar Verstärkung mitgebracht.“ Er hatte es kaum ausgesprochen, da tauchte hinter ihm unter einem dichten Busch ein weiterer Wolfskopf auf. Mogli traute seinen Augen nicht. „Akela !“, jubelte er. Voller Freude fiel er seinem alten Freund um den Hals. „Ihr habt mir ja so sehr gefehlt!“ „Du uns auch“, versicherte Akela ihm und blinzelte in Richtung Schlucht. „Allerdings habe ich auch noch eine Rechnung mit dem hinkenden Tiger offen“, fuhr er fort. „Und deshalb werde ich dir sehr gern helfen.“ Mogli und die beiden Wölfe steckten ihre Köpfe zusammen und beratschlagten. „Bist du auch wirklich sicher, dass die Büffel dir gehorchen? “, fragte Akela zweifelnd. „Keine Sorge“, beruhigte Mogli ihn. „Das Leittier wird tun, was ich ihm befehle. Wir werden Schir Khan töten und deine Ehre wiederherstellen.“ Lautlos tappte er auf die Schlucht zu. Mogli hielt den Atem an, beugte sich über die Kante und spähte in die Tiefe. Der Tiger lag im Schatten eines Felsens und schlief tief und fest. Die Schlucht war nur nach einer Seite hin offen, was Schir Khan von seinem Schlafplatz aus aber nicht sehen konnte. Der Tiger ahnte wahrscheinlich nicht einmal, dass er in der Falle saß. Blitzschnell huschte Mogli zu den Wölfen zurück. „Die Gelegenheit ist günstig“, raunte er. „Wir machen es sofort.“ Dann lief er weiter zu Rama und strich ihm über die Nüstern. „Steh auf, mein Freund“, flüsterte Mogli ihm zu. „Du und ich, wir sind vom gleichen Blut und wir haben eine gemeinsame Aufgabe zu erledigen.“ Der Büffel schnaubte unwillig und hob sich schwerfällig auf die Beine. Mogli schwang sich auf seinen Rücken, setzte sich in Ramas kräftigen Nacken und umfasste dessen riesige Hörner. Akela und Grauwolf hatten sich inzwischen tief geduckt um die Büffelherde herumgeschlichen und die verabredeten Positionen eingenommen. Jetzt warteten sie auf Moglis Zeichen. Der Junge ritt auf Ramas Rücken bis zum Rand der Schlucht. Dann hob er seine Hand. Nur einen Lidschlag später sprangen die Wölfe aus ihrer Deckung und schreckten die Herde auf. Mit lautem Geschrei trieb Mogli Rama voran in die Schlucht hinunter. Die Herde – gefolgt von Akela und Grauwolf – raste ihrem Leittier panisch hinterher. Die Felswände hallten von ihrem Hufgetrappel wider und eine mächtige Staubwolke hob sich über die Büffel hinweg und verdunkelte den Himmel. „Hoho, Schir Khan!“, brüllte Mogli. „Worauf wartest du denn noch? Willst du nicht kommen und mich endlich holen?“ Der Tiger sprang auf. Voller Angst blickte er sich um. Hinter ihm und zu beiden Seiten ragten glatte, steile Felswände empor. Schir Khan hockte in der Schlucht wie in einem Käfig. Es gab kein Entrinnen. Die Büffelherde raste über ihn weg, und als sie schließlich unter Moglis Kommando zum Stehen kam, lag der Tiger leblos am Boden. Mogli glitt von Ramas Rücken herunter und vergrub seine Hände in Schir Khans dichtem Fell. „Es tut mir leid“, sagte er leise. „Auch wir hätten Freunde sein können – wenn du nur gewollt hättest.“ „Hände weg von meinem Tiger!“, rief plötzlich eine tiefe Stimme zu ihm herunter. Mogli hob den Blick und entdeckte über der Felswand das bekannte Gesicht eines Jägers aus seinem Dorf. „Ich bin schon lange hinter ihm her“, behauptete der Mann. „Und deshalb werde ich ihm das Fell abziehen und mir dafür eine Belohnung abholen.“ Mogli sah den Jäger finster an. Er knurrte leise. Akela und Grauwolf richteten sich auf und knurrten ebenfalls. Der Jäger erstarrte und rannte vor Schreck davon. Mogli lachte leise in sich hinein. Er zog Schir Khan das Fell ab und überließ den Rest seines Körpers den Geiern. „So bist du wenigstens noch zu etwas nütze“, sagte er und warf sich das Fell über den Rücken. Die Sonne stand schon tief über dem Horizont und es war höchste Zeit, die Büffelherde in die Siedlung zurückzutreiben. Akela und Grauwolf begleiteten Mogli noch bis zum Zaun aus dornigen Ästen, der das Dorf umgab. Dort verabschiedeten sie sich und zogen sich in die Dunkelheit des Dschungels zurück. Auf dem Platz zwischen den Hütten brannte ein Feuer. Alle Bewohner hatten sich hier versammelt. In ihrer Mitte stand der Jäger und erzählte ein Schauermärchen. „Mogli hat mich verhext“, sagte er mit rauer Stimme und seine Augen funkelten unheilvoll. „Er ist kein Mensch, sondern ein böser Zauberer, der mit den Wölfen spricht. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie er sich in einen Tiger verwandelte.“ „So ein Unsinn!“, rief Mogli. Er löste sich aus der Büffelherde und trat neben das Feuer. „Ich bin nicht anders als ihr.“ Die Dorfbewohner schrien entsetzt auf. Sie wichen zurück und deuteten mit ausgestreckten Armen auf das Tigerfell auf Moglis Rücken. „Jagt ihn fort!“, rief ein Mann und sofort fielen die anderen ein. „Jagt ihn fort! Jagt ihn fort!“, ertönte es von überall her. Jemand nahm einen Stein vom Boden auf und warf ihn nach Mogli. Er traf den Jungen an der Schulter. „Bitte!“, rief Mogli. „Besinnt euch doch. Ich bin im Dschungel aufgewachsen, aber ich bin nicht anders als ihr. Wir sind vom gleichen Blut!“ Doch die Bewohner des Dorfes hörten ihm nicht zu. Sie waren blind vor Zorn und vor Angst. Die Frauen legten schützend ihre Arme um ihre Kinder und zerrten sie in die Hütten. Und immer mehr Männer bückten sich nach den Steinen am Boden und warfen sie nach Mogli. Enttäuscht wandte der Junge sich ab und flüchtete sich in den Dschungel. Mogli wusste nicht, wohin er sollte, und so rannte er in seiner Verzweiflung einfach drauflos. Als seine Beine müde wurden und ihn nicht mehr tragen wollten, kletterte er auf einen Baum und streckte sich im Schutz des Tigerfells auf einem Ast aus. Mogli erwachte früh. Er blinzelte unter dem Fell hervor. Vor ihm lag das Sioni-Gebirge. Moglis Herz machte einen Satz. Er verließ seinen Schlafplatz und erreichte die Wolfshöhle, kurz nachdem die Sonne sich über die Berggipfel erhoben hatte. Grauwolf, seine Eltern und seine Brüder reckten ihre Mäuler gähnend aus dem dunklen Höhleneingang heraus. „Da ist ein Tiger!“, rief der Jüngste erschrocken. „Ach, nein … das ist ja Mogli! – Mogli ist zurück!“, jubelte er und die anderen jubelten mit ihm. Sie liefen auf den Jungen zu und leckten ihm das Gesicht und die Hände ab. Der Junge lachte glücklich und kraulte seinen Brüdern das Fell. Ein Raunen und Wispern ging durch den Dschungel. „Mogli ist wieder da!“, zwitscherten die Vögel. „Mogli issst zurück“, zischten die Schlangen. Nach und nach erwachten alle Wölfe und näherten sich zögernd der Höhle, in der Moglis Familie wohnte. Akela wagte sich als Einziger bis dicht an den Jungen und seine Brüder heran. Mogli hob das Tigerfell hoch über seinen Kopf. „Seht her. Akela hat mir geholfen, Schir Khan zu besiegen. Es war dumm von euch, ihn zu vertreiben. “ Die Wölfe senkten betreten ihre Köpfe. „Meine Familie und ich werden ein neues Rudel gründen“, fuhr Mogli fort. „Und Akela wird unser Leitwolf sein.“ Er breitete das Tigerfell auf dem Felsen aus und bedeutete Akela, darauf Platz zu nehmen. Stolz reckte dieser seinen Kopf empor und die anderen Wölfe zogen sich reumütig in den Dschungel zurück. Plötzlich raschelte es und zwei Gestalten kamen hinter einem Busch hervor. Es waren Balu und Baghira. „Dürfen wir mit dir jagen, kleiner Frosch?“, fragte der Panther. „Es war so langweilig ohne dich!“, rief der Bär. Voller Freude nahmen Mogli und seine Wolfsfamilie Baghira und Balu in ihr Rudel auf. Viele Jahre jagten sie gemeinsam im Dschungel. Und Mogli wusste endlich, wohin er gehörte. cbj ist der Kinder- und Jugendbuchverlag in der Verlagsgruppe Random House Gesetzt nach den Regeln der Rechtschreibreform 1. Auflage 2012 © 2012 cbj, München Alle Rechte vorbehalten Buchidee und Konzept: Patricia Schröder Umschlagbild und Innenillustrationen: Elke Broska Illustration Serienlogo: Ute Krause Umschlagkonzeption und Innenlayout: Anette Beckmann, Berlin cl • Herstellung IH Satz: dtp im Verlag, CF Reproduktion: ReproLine Mediateam, München eISBN 978-3-641-07416-6 www.cbj-verlag.de www.randomhouse.de